Arbeitsschutz, Umwelt & Nachhaltigkeit

Der KVP-Prozess

Vermeiden Sie Stillstand mithilfe der 10 Prinzipien des Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses

6 Minuten29.02.2023

Beim Kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP-Prozess) handelt es sich um ein strukturiertes Set von Methoden und Werkzeugen, das der japanischen KAIZEN-Philosophie, also der „Veränderung zum Besseren“ folgt.

Der Begriff KAIZEN setzt sich zusammen aus Kai = Veränderung und Zen = zum Besseren und wird als Bezeichnung für einen Managementansatz verwendet, den Firmen wie Toyota entwickelt haben. Seine zentrale Annahme und Botschaft ist, dass jedes Unternehmen ab dem Moment seiner Gründung dem Verfall preisgegeben ist. Es bedarf andauernder und fortlaufender Anstrengungen, sowohl um den Status-Quo zu erhalten, als auch um sich durch schrittweise Verbesserungen weiterzuentwickeln.

Der japanische KAIZEN Ansatz und die damit verbundene Methoden wurden in westlichen Ländern zunächst in das Konzept des Lean Managements aufgenommen. Vornehmliches Ziel war es, die Ausschussraten zu reduzieren und qualitätsverbessernde Prozesse zu etablieren. Spätestens seit der Einführung der harmonisierten Struktur (HS) von Managementsystemstandards, die in ISO-Normen wie ISO 9001, ISO 14001 oder ISO 45001 umgesetzt werden, hat der KVP-Prozess sich weltweit als wichtiges Instrument etabliert, um eine fortlaufende Verbesserung auf allen Ebenen des HSEQ (Health, Safety, Environment, Quality) Managements zu erreichen. Denn Organisationen werden dazu verpflichtet, die Angemessenheit und Wirksamkeit ihrer Managementsysteme regelmäßig zu überprüfen und zu verbessern. Die fortlaufende Verbesserung geht damit Hand in Hand u.a. mit den internen Audits, Regelungen zu Nichtkonformitäten und Korrekturmaßnahmen oder dem Management Review. Der KVP trägt dadurch entscheidend dazu bei, Probleme in den Workflows und Prozessen systematisch zu reduzieren. Es unterstützt Organisationen dabei, ihre Prozesse und Produkte fortlaufend zu verfeinern und gewährleistet eine Steigerung der Kundenzufriedenheit (ISO 9001), eine verbesserte Umweltverträglichkeit (ISO 14001), Energieeffizienz (ISO 50001) oder Arbeitssicherheit (ISO 45001).

Dieser Fachbeitrag erläutert die systematische Vorgehensweise und Prinzipien des KVP-Prozesses und zeigt auf, wie Sie mithilfe von PDCA (Plan-Do-Check-Act), Standardisierungen sowie einer KVP-Kultur erfolgreich vorgehen. Letztere ist besonders wichtig, denn um KVP wirksam im Unternehmen zu leben, ist ein gewisser Bewusstseinswandel vonnöten, der die Verhaltensweisen aller Mitarbeitenden auf allen Hierarchieebenen herausfordert.

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Die 10 Grundprinzipien des KVP-Prozesses

Die kontinuierliche, fortlaufende und konsequente Verbesserung in kleinen Schritten bedarf eines systematischen Vorgehens unter der Berücksichtigung folgender Prinzipien:

Prinzip #1: Kontinuität

Mit dem übergeordneten PDCA (Plan-Do-Check-Act) Zyklus wird in vielen Organisationen ein Problemlösungsansatz verfolgt, der sich als Abfolge von vier immer wiederkehrenden Schritten zeigt und somit Kontinuität bei der Verbesserung des HSEQ-Managements gewährleistet. Der PDCA Zyklus liegt allen standardisierten Managementsystemen zugrunde. Zur vertiefenden Lektüre empfiehlt sich der Fachbeitrag: https://www.quentic.de/fachbeitraege/der-pdca-zyklus/

Der KVP-Prozess ist in folgende 7 Schritte unterteilt, die sich mit den Abschnitten des PDCA Zyklus decken:

PLAN:

1. Problem abgrenzen

2. Ist-Situation analysieren/ Ursachen erkennen

3. Verbesserungspotenziale abgrenzen / Teilziele festlegen

4. Maßnahmen entwickeln und planen

 

 

DO:

5. Maßnahmen durchführen

 

CHECK:

6. Soll/Ist-Abgleich

 

ACT:

7. Standards einführen, Folgeaktivitäten anstoßen

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Prinzip #2: Standardisierung

Um erreichte Verbesserungen zu sichern, wird der SDCA-Zyklus (Standardize, Do, Check, Act) angewendet. Dieser stellt eine gute Ergänzung zum PDCA-Zyklus dar und dient dazu, erfolgreiche Maßnahmen als Standards bzw. als Ausgangspunkte für weitere Verbesserungen festzulegen. Er kann im Prinzip als weiterer Zyklus in der Act-Phase verstanden werden.

Der SDCA-Zyklus unterteilt sich in folgende Schritte:

  • Standardize (Standardisieren): durch Bereitstellung von klaren und wiederholbaren Anweisungen für Prozesse, Workflows und Aufgaben, damit diese auf die immer gleiche Weise durchgeführt werden können.

  • Do (Durchführen): Umsetzung des neuen Standards in der Praxis.

  • Check (Überprüfen): Es wird überprüft, ob der standardisierte Prozess wie vorgesehen funktioniert, ob die gewünschten Ergebnisse erzielt werden oder ob es Abweichungen oder Probleme gibt, die eine Neujustierung notwendig machen.

  • Act (Handeln): Wenn Probleme in der Umsetzung festgestellt wurden, müssen entsprechende Anpassungsmaßnahmen vorgenommen werden, um den Prozess weiter verbessern zu können.

Im Gegensatz zum PDCA-Zyklus, der sich auf die Planung und Einführung von Neuerungen  und Verbesserungsmaßnahmen konzentriert, legt der SDCA-Zyklus den Schwerpunkt auf die Standardisierung und die Sicherstellung einer stabilen Basis, bevor weitere Verbesserungen vorgenommen werden. Dem Prinzip der Kontinuität folgend, geht es um ständige, schrittweise Verbesserungen. Diese werden in den täglichen Arbeitsablauf integriert.

Prinzip #3: Kundenorientierung

Kundenorientierung bedeutet, das Ohr nahe am Kunden zu haben, zu erkennen, welche Bedürfnisse existieren und die Prozesse daran zu orientieren. Dabei handelt es sich nicht nur um Abnehmer im Markt, sondern auch um interne Kunden aus anderen Abteilungen, die Vorarbeiten liefern oder bestimmte Ergebnisse erwarten. Für den KVP ist besonders wichtig, dass die Kundenorientierung auch „nach innen“ gelebt wird. 

Prinzip #4: Einbindung von Mitarbeitenden

Mitarbeitende sind der Schlüssel zum Erfolg. Sie sollten ermutigt werden, Ideen und Vorschläge zur Verbesserung einzubringen und sich aktiv an deren Umsetzung zu beteiligen. Sie wissen selbst am besten, wie ihr eigener Arbeitsbereich optimiert werden kann. Aus dieser Praxis-Sicht heraus können wichtige Erkenntnisse auch für die Optimierung übergeordneter Strukturen genutzt werden. Die Motivation der Belegschaft steigt, wenn selbst erarbeiteten Problemlösungen in Form von Verbesserungsmaßnahmen umgesetzt werden.

Prinzip #5: Ziel- und Ergebnisorientierung

Nachvollziehbare, klar formulierte und abgegrenzte Ziele können den Gestaltungswillen von Mitarbeitenden befördern, insbesondere, wenn die Ziele auch gemeinsam erarbeitet wurden. Es benötigt eine unternehmensspezifische Systematik, um übergeordnete Ziele kaskadenförmig durch das Unternehmen bis auf die operative Umsetzungsebene zu übersetzen. Dadurch werden Zielen für den Einzelnen handhab- und auch beeinflussbar.

Prinzip #6: Prozessorientierung

Prozessorientierung bedeutet eine Fokussierung auf Abläufe. Prozesse sollen sauber definiert und einzelne Workflows und Abläufe hinsichtlich ihrer Schnittstellen und Wechselwirkungen transparent und ganzheitlich dargestellt und anschließend optimiert werden. Durch regelmäßige Überprüfung gelingt es, die Prozesse fortlaufend zu verbessern. Dadurch wird sichergestellt, dass die Qualität jedes einzelnen Prozessschrittes gewährleistet werden kann. Wenn die Prozesse funktionieren, hat letztlich auch das Produkt eine hervorragende Qualität. Der prozessorientierte Ansatz der ISO 9001 verbindet den PDCA-Zyklus außerdem mit risikobasiertem Denken, was zur Prozessstabilität beiträgt.

Prinzip #7: Überwachung und Anpassung

Aus dem agilen Projektmanagement ist das Prinzip des „Inspect and Adapt“ bekannt, was besagt, dass Prozesse regelmäßig überprüft und angepasst werden müssen, um die Effizienz stetig zu steigern. "Inspect and Adapt" ist ein zyklischer Prozess, der darauf abzielt, kontinuierliche Verbesserungen in einem Projekt zu fördern.

  • Inspect: bezieht sich auf die regelmäßige Überprüfung und Bewertung der aktuellen Projektarbeit, um sicherzustellen, dass sie den Zielen und Anforderungen des Kunden entspricht.

  • Adapt: steht für die Anpassung der Strategien, Prozesse und Arbeitsergebnisse basierend auf den Erkenntnissen und Feedbacks aus der Inspektionsphase, um die Leistungsfähigkeit des Teams zu steigern und eine hohe Produktqualität sicherzustellen.

Prinzip #8: Lernen aus Fehlern

Fehler werden nicht als etwas Negatives gesehen, sondern als Möglichkeit zur Verbesserung. Basis für diese Verbesserung ist eine offene und fehlerfreundliche Kommunikation, bei der es darum geht, gemeinsam Lösungen zu finden. Dabei steht nicht im Vordergrund WER den Fehler begangen hat, sondern das WARUM und WIE verhindert werden kann, dass dieser Fehler nochmals auftritt. Der Fokus liegt also auf der Ursachensuche und der Erarbeitung einer geeigneten Korrekturmaßnahme.

Fehlerkultur und Feedback

Je mehr Fehler gemeldet werden, desto erfolgreicher ist ein Team. Amy Edmondson, Novartis-Professorin für Leadership, pricht in diesem Zusammenhang vom Erfolgsfaktor „psychologische Sicherheit“ bzw. der „angstfreien Organisation“.

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Prinzip #9: Transparenz- und Faktenorientierung

Transparenz- und Faktenorientierung bedeutet, dass eine valide Grundlage in Form von Daten, Zahlen, Fakten für die Bewertung von Prozessen und Mitarbeitenden vorhanden ist. Um Rückschlüsse ziehen zu können, müssen Kennzahlensysteme an Prozesse gekoppelt und systematisch ausgewertet werden, wobei Zielvereinbarungen oder Scorecards eine hilfreiche Unterstützung darstellen.

Prinzip #10:  Führungskräfte als Vorbilder und Treiber einer KVP-Kultur

Führungskräfte spielen für einen gelebten KVP-Prozess eine entscheidende Rolle. Sie stehen in der Verantwortung, eine KVP-Kultur zu entwickeln und vorzuleben und ihre Teams bei deren Umsetzung zu unterstützen. Führungskräfte, die eine KVP-Kultur pflegen, legen Wert auf kontinuierliches Lernen, einen offenen Dialog, eine konstruktive Fehlerkultur und die ständige Weiterentwicklung von Prozessen und Abläufen. Dabei beziehen sie alle Mitarbeitenden ein und unterstützen sie dabei, Verbesserungspotenziale zu erkennen und zu nutzen. Führungskräfte sind gefordert, eine KVP-Kultur zu initiieren, sich auf diese einzulassen, sie vorzuleben, zu kommunizieren und Rahmenbedingungen und Strukturen zu entwickeln, die es erlauben, dass der KVP dauerhaft am Leben erhalten wird.

Fazit

Der KVP-Prozess ist ein wichtiger Bestandteil jedes modernen und effektiven Managementsystems. Mit seinen 10 Grundprinzipien bietet er eine umfassende Basis für erfolgreiche kontinuierliche Verbesserungen. Eine erfolgreiche Umsetzung erfordert jedoch mehr als nur die Anwendung der richtigen Methoden und Werkzeuge. Eine KVP-Kultur, die von den Führungskräften vorgelebt und von allen Mitarbeitenden getragen wird, ist unerlässlich, um kontinuierliche Verbesserungen erfolgreich umzusetzen und nachhaltig zu etablieren. Unterm Strich bietet der KVP-Prozess eine systematische und strukturierte Herangehensweise für die Optimierung von Arbeitsprozessen und damit für die Leistungsfähigkeit der Managementsysteme einer Organisation.

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