Audits, Digitalisierung

Integrierte Managementsysteme (IMS)

Auf dem Pfad zur Exzellenz: So führen Sie Ihre Managementsysteme effektiv zusammen

7 Minuten19.07.2023

Seit der Verabschiedung der ersten Managementsystemnorm ISO 9001 im Jahr 1987 hat sich der Bereich der Managementsysteme dynamisch entwickelt. Während bis Anfang der 2000er Jahre hauptsächlich Qualitäts-, Umwelt- und Arbeitsschutzmanagementsysteme im Fokus standen, kamen ab dem Jahr 2005 zahlreiche neue Systeme hinzu. Gleichzeitig steigt der Umfang der Managementanforderungen kontinuierlich, die Organisationen unabhängig von ihrer Größe oder regionalen Zugehörigkeit erfüllen müssen.

Um den aktuellen Herausforderungen unserer Zeit gerecht zu werden, betreiben immer mehr Organisationen weit mehr als nur ISO 45001, 14001, 50001 und 9001 - die vier klassischen HSEQ-Managementsysteme für Qualität, Umwelt (inklusive Energie) und Arbeits- und Gesundheitsschutz). Konnte man eine geringe Anzahl von Managementsystemanforderungen noch separat oder nebeneinander führen, so ist dies mit zunehmender Anforderungskomplexität meist nicht mehr sinnvoll. Parallele Systeme führen zu redundantem Dokumentationsaufwand, einem erhöhten Risiko von Regelwidersprüchen und dadurch zu einer sinkenden Akzeptanz bei den Mitarbeitenden und Beteiligten. Dies ist ineffizient! Stattdessen ist ein integrativer Ansatz erforderlich, um die Vielfalt der Anforderungen zu bewältigen.

Die Harmonisierte Struktur: Grundlage der Integration

Angesichts der steigenden Anzahl und Komplexität von Managementsystemen ist ein integratives Vorgehen nicht nur notwendig, sondern auch besser denn je möglich. Alle seit dem Jahr 2012 entwickelten oder revidierten ISO-normierten Managementsysteme basieren auf der sogenannten Harmonisierten Struktur (HS). Diese HS, früher bekannt als High Level Structure (HLS), beinhaltet die grundlegenden Anforderungen, die für alle Managementsysteme gelten, sowie wichtige begriffliche Definitionen. Dazu zählen beispielsweise Anforderungen an den Kontext der Organisation, die Führung, die Risiko- und Chancenbetrachtung, die Festlegung von Zielen, Ressourcen, Kompetenz, Kommunikation, Dokumentation, Ablauflenkung, Überwachung, Messung, Analyse und Bewertung, die Durchführung von internen Audits und die Managementbewertung sowie die Gewährleistung einer kontinuierlichen Verbesserung. Die HS strukturiert diese Anforderungen gemäß des Plan-Do-Check-Act-Zyklus in den Kapiteln 4-10. Dadurch haben alle ISO-Normen für Managementsysteme einen einheitlichen Grundtext und Aufbau.

Aufbau der ISO-Normen im Sinne der Harmonisierten Struktur:

Dieser Aufbau wird in den jeweiligen ISO-Normen fachspezifisch weiterentwickelt. Dabei werden textliche Ergänzungen zu spezifischen Anforderungen vorgenommen, die durch neue (Unter-)Kapitel herausgestellt werden können. Dadurch wird der Fokus für jedes Managementsystem in den entsprechenden ISO-Normen verdeutlicht.

Eine Frage der Notwendigkeit

Dank der Harmonisierten Struktur wird besonders deutlich, welche großen Übereinstimmungen es in den Anforderungen der verschiedenen Managementsysteme gibt. Wenn diese nicht integriert geregelt werden, entstehen zwangsläufig parallele Strukturen, Abläufe, Verantwortlichkeiten und Dokumentationen - in anderen Worten: Redundanzen und ineffiziente Doppelarbeiten. Ein integratives Vorgehen ist daher sinnvoll, um das hohe Synergiepotenzial zwischen den Managementsystemen optimal zu nutzen.

Integriertes Managementsystem einfach erklärt

Ein IMS die Vereinigung der Anforderungen unterschiedlicher Managementsysteme durch abgestimmte übergreifende Regelungen in einem umfassenden Managementsystem. Die Integration ermöglicht einen kohärenten Verwaltungsansatz, der die Effizienz und Effektivität in den verschiedenen Bereichen, wie z. B. Arbeitssicherheit, Umweltschutz und Qualitätsmanagement fördert.

Ein IMS weist folgende drei Eigenschaften auf:

  • Es vereint die Anforderungen mehrerer Managementsysteme in einem einzigen System.

    Dabei können ISO-standardisierte Managementsysteme wie die ISO 9001, 14001, 50001 oder 45001 ebenso zusammengeführt werden wie spezifische Branchenstandards (z. B. IATF 16949) oder andere Managementansätze (z. B. Ökoprofit, ISO 31000, PAS 2060).

  • Es umfasst abgestimmte themen- und abteilungsübergreifende Regelungen für Prozesse, Verantwortlichkeiten und die dazugehörige Dokumentation.

    Diese Regelungen beziehen sich sowohl auf Anforderungen, die gemäß HS für alle Managementsysteme charakteristisch sind, als auch für die spezifischen Anforderungen, wie z. B. Kundenzufriedenheit im QMS oder zur Verbesserung der Umwelt- und Energieeffizienz im UMS bzw. EnMS. Dadurch erfüllt ein IMS die Anforderungen aller ihm zugrunde liegender Systeme.

  • Es lenkt eine Organisation hinsichtlich verschiedener Ziele, die in den zugrundeliegenden Managementsysteme verfolgt werden.

    Die Steuerung erfolgt in Abstimmung zwischen den Managementsystemen durch eine definierte Prioritätensetzung, z. B. bezogen auf Qualitäts-, Umwelt-, Energie-, Arbeits- und Gesundheitsschutzbelange bei den Beschaffungsanforderungen.

Integrationspotenziale Schritt für Schritt erkennen

Obwohl die ISO-normierten Managementsysteme durch einheitliche Anforderungen und Strukturen gekennzeichnet sind und die Integration der Systeme fördern sollen, fehlen in sowohl der HS als auch den einzelnen ISO-Normen Hinweise dazu, ob und wie Anforderungen integriert werden können.

Um das Integrationspotenzial der Anforderungen Ihrer bestehenden oder zukünftigen Managementsysteme zu verstehen, empfiehlt es sich, zunächst ein Anforderungsmapping zu erstellen. Auf dieser Grundlage können die Normanforderungen entsprechend ihres jeweiligen Integrationspotenzials kategorisiert werden, sodass anschließend der Integrationsgrad festgelegt werden kann. In den folgenden Abschnitten erhalten Sie Anleitungen für diese Schritte sowie konkrete Beispiele zur Integration der vier klassischen HSEQ-Managementsysteme.

Schritt 1: Anforderungsmapping

Ein grundlegendes Werkzeug zur Identifizierung von Integrationspotenzialen zwischen den Normanforderungen verschiedener Managementsysteme sind sogenannte Vergleichsmatrizen oder Entsprechungstabellen. Eine Entsprechungstabelle ist eine Matrix, die nach Normkapiteln 4-10 strukturiert ist und die Anforderungen der zu integrierenden Managementsysteme gegenüberstellt.

Durch das sogenannte Mapping, was im Deutschen so viel wie "Kartierung" oder "Abbildung" bedeutet, werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Struktur und den inhaltlichen Anforderungen der Systeme erkennbar. Diese Erkenntnisse ermöglichen die Ableitung von Integrationspotenzialen für die Anforderungen dieser Systeme. Gleichzeitig fördert das Mapping das Verständnis für den Aufbau und den Inhalt der Managementsystemanforderungen und -standards, die in einem IMS vereinheitlicht werden sollen. Das Mapping kann in einem ersten Schritt auf Kapitelebene und in einem zweiten Schritt auf der Anforderungsebene innerhalb der Kapitel durchgeführt werden.

Schritt 2: Kategorisierung von Normanforderungen

Das Mapping ermöglicht es, Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Struktur und den inhaltlichen Anforderungen zu erkennen, was wiederum eine Kategorisierung der Normanforderungen ermöglicht. Diese Kategorisierung ist wichtig, um die komplexen Anforderungen zu systematisieren, Muster und Zusammenhänge zwischen den Anforderungen zu erkennen und Erkenntnisse und Entscheidungen für die Integration zu gewinnen.

Integrationspotenzial

Das Integrationspotenzial bezieht sich auf die Möglichkeiten, abgestimmte, übergreifende Regelungen für Anforderungen verschiedener Managementsysteme zu schaffen. Es hängt unter anderem von der inhaltlichen Übereinstimmung der Normanforderungen ab und kann als hoch, mittel, gering oder nicht vorhanden eingestuft werden.

Schritt 3: Den Integrationsgrad ermitteln

Nach der Bestimmung des Integrationspotenzials kann der Integrationsgrad festgelegt werden. Der Integrationsgrad beschreibt das Ausmaß, in dem eine Organisation systematische Regelungen zur Koordination von Prozessen, Ressourcen und Dokumenten nutzt, um die Anforderungen mehrerer Managementsysteme zu erfüllen.

Generell lassen sich drei Arten von Integrationsgraden unterscheiden:

  1. Vollständige Integration: Diese liegt vor, wenn eine Managementsystemanforderung für alle im IMS enthaltenen Managementsysteme übergreifend geregelt wird. Der Integrationsgrad ist sehr hoch.
    Example: Beispiel: Es gibt eine integrierte Qualitäts-, Umwelt-, Energie-, Arbeits- und Gesundheitsschutzpolitik.
  2. Teilweise Integration: Hierbei wird eine Managementsystemanforderung nicht für alle, sondern nur für ausgewählte Managementsysteme des IMS übergreifend geregelt. Der Integrationsgrad ist mittel.
    Example: Beispiel: Es gibt eine integrierte Umwelt-, Energie-, Arbeits- und Gesundheitsschutzpolitik und eine separate Qualitätspolitik.
  3. Additive Integration: Diese tritt auf, wenn eine Managementsystemanforderung nicht systemübergreifend, sondern nur für ein bestimmtes Managementsystem geregelt wird. Die entsprechende Regelung wird dem IMS hinzugefügt, daher spricht man von additiver Integration. Der Integrationsgrad ist sehr niedrig.
    Beispiel: Es gibt je eine separate Qualitäts-, Umwelt-, Energie- sowie Arbeits- und Gesundheitsschutzpolitik. Weitere Beispiele sind die Regelungen zu den Umweltaspekten im UMS oder zur Gefährdungsbeurteilung im SGA-MS.

Zusammenführung der Regelungen eines IMS

Nachdem der Integrationsgrad festgelegt wurde, ist es erforderlich, spezifische Regelungen für die jeweiligen Systemanforderungen zu entwickeln. Wenn eine vollständige Integration angestrebt wird, müssen übergreifende Regelungen für alle Managementsysteme entwickelt werden. Bei einer teilweisen Integration gelten diese Regelungen nur für ausgewählte Managementsysteme. Wenn eine Systemanforderung nicht in das IMS integriert wird, kann eine separate Regelung speziell für dieses System erstellt werden, um die spezifischen Anforderungen zu erfüllen.

Bei der Strukturierung der Regelungen eines IMS gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten:

  • Normbasierte Strukture: Diese Form des Aufbaus lehnt sich an die Gliederung der HS und der erarbeiteten Entsprechungsmatrix an.
  • Prozessbasierte Struktur: Bei dieser Form des Aufbaus wird das IMS auf Basis der bestehenden Prozesslandkarte der Organisation strukturiert und die erforderlichen Regelungen den Management-, Kern- und unterstützenden Prozessen zugeordnet

Egal welche Form der Struktur des IMS gewählt wird, es ist  wichtig, dass es einen zentralen Ort gibt, an dem alle Informationen und Regelungen zum IMS zusammenlaufen. Dazu gehören nicht nur interne Vorgabe- und Nachweisdokumente, sondern auch externe Dokumente oder Links zu Katastern oder Softwarelösungen. Dieser Ort sollte für alle Mitarbeitenden, die mit dem IMS arbeiten gut erreichbar sein, eine klare Struktur, eine einfache Navigation und eine gute grafische Visualisierung aufweisen.  Softwarelösungen sind hier hilfreich, allerdings ist der Markt in diesem Bereich  unübersichtlich und dynamisch wachsend.

 

Ausblick: Vorteile eines Integrierten Managementsystems

Ein IMS ermöglicht die ganzheitliche Betrachtung aller relevanten Anforderungen und ermöglicht somit die Erschließung von Synergien und die Vermeidung von Redundanzen. Dadurch werden Widersprüche erkannt, vermieden und letztendlich Reibungspunkte an Prozessschnittstellen verringert.

Ein IMS hilft dabei, bestehende Zielkonflikte sowie potenzielle Zielsynergien zwischen den Anforderungen der zugrunde liegenden Systeme, wie z. B. Kundenzufriedenheit, Umweltleistung und Energieeffizienz, zu erkennen und durch Prioritätensetzungen gemeinsam zu regeln. Es fördert die prozess- und abteilungsübergreifende Zusammenarbeit und gewährleistet eine höhere Transparenz der bestehenden Regelungen. Durch ein IMS werden ineffiziente und motivationshemmende Doppelarbeiten oder gegensätzliche Festlegungen vermieden. Dies führt zu einem effizienteren Einsatz von Ressourcen, sowohl in Bezug auf Zeit als auch Kosten, beim Betrieb der Systeme.

Das Team Integrierte ManagementSysteme (TIMS) ist eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe der Fakultät Natur- und Umwelt wissenschaften der Hochschule Zittau/Görlitz. Seine Vision ist es, einen wirksamen Beitrag zur Stärkung des Nachhaltigkeitsmanagements von Unternehmen und Organisationen zu leisten. Dazu lehrt und forscht es zu Managementsystemen für Qualität, Umwelt, Energie und Arbeitsschutz und entwickelt mit Praxis- und Projektpartnern integrierte Lösungsvorschläge für herausfordernde Aufgabenstellungen ihrer betrieblichen Praxis.

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