Umwelt & Nachhaltigkeit

Energieplanungsprozess

Von SEU über EnPi zur effektiven Ressourcenreduktion

7 minutes21/09/2022

Die Identifizierung von Positionen mit einem hohen Energieverbrauch ist für Unternehmen gleich doppelt relevant: Mit Blick auf den Klimawandel und aktuelle politische sowie gesellschaftliche Herausforderungen ist es wichtiger denn je, den Verbrauch von endlichen Ressourcen so weit wie möglich zu reduzieren.

Um systematisch vorzugehen und langfristig erfolgreich zu sein, braucht es einen geeigneten Energieplanungsprozess. Dabei werden die Positionen ermittelt, die für den wesentlichen Energieverbrauch verantwortlich sind (SEU). Anschließend werden diese mithilfe von Energieleistungskennzahlen (EnPI) bewertet und durch Energiemonitoring kontinuierlich überwacht. Der darauf basierende Aktionsplan hält Ziele zur Reduktion des Verbrauchs fest. ISO 50001, der internationale Standard für Energiemanagement, gibt im Rahmen des Plan-Do-Check-Act klare Anweisung zur Struktur und Umsetzung des Energieplanungsprozesses. Wie Sie vorgehen und was Sie dabei beachten müssen, erfahren Sie hier.

Strategische Planung: Risiken- und Chancenanalyse

Die strategische Planung beinhaltet eine umfangreiche Risiken- und Chancenanalyse, die Ihre Organisation auf zukünftige negative oder positive Ereignisse vorbereiten soll. Technische Risiken können sich beispielsweise durch eine fehlende oder falsche Instandhaltung von energetischen Verbrauchern ergeben. Entsteht dadurch ein höherer Verschleiß, verbrauchen benötigen die Anlagen mehr Energie. Laut ISO 50001 müssen in die strategische Planung auch die Kontext- und Stakeholderrisiken einbezogen werden, z. B. die Nicht-Einhaltung von Genehmigungsauflagen aus dem Bundesemissionsschutzgesetz (BImSchG).

Risikoprioritätszahl

Für die Bewertung von Risiken hat sich die Abschätzung nach Schadenshöhe (SH) und Eintrittswahrscheinlichkeit (EW) zur Ermittlung eines aggregierten Risiko-Scores, auch Risikoprioritätszahl (RPZ) genannt, etabliert (SH * EW = RPZ). Die Bewertung erfolgt entweder quantitativ (z. B. Schadenshöhe von 300.000 €) oder qualitativ (z. B. niedrige, mittlere oder hohe Schadenshöhe) und ist mit Kriterien für die Bewertung unterlegt sein (hoch = geschäftsbedrohend, Schadenssumme > 1 Mio. €).


Um Risiken zu mindern bzw. zu vermeiden, kann dann mit diesem Risiko-Score eine Priorisierung vorgenommen und entsprechende Maßnahmen definiert werden.

Taktische Planung: Energetische Bewertung

Die taktische Planung fokussiert sich auf die IST-Analyse des Energiesystems, auch energetische Bewertung genannt. Sie ist die Grundlage für die Entwicklung von Energieleistungskennzahlen (EnPI) und Werten für die energetischen Ausgangsbasis (EnB), deren Abgleich den Nachweis der Verbesserung erbringt. Ziel der energetischen Bewertung ist die Identifikation der wesentlichen Energieeinsätze (SEU). Damit sind Energieeinsätze gemeint, die entweder einen hohen prozentualen Anteil am Energieverbrauch haben oder ein großes Potenzial für die Verbesserung der energiebezogenen Leistung bieten. Was als wesentlich gilt, definiert das Unternehmen mit Kriterien für sich selbst. So gelten beispielsweise alle Verbraucher mit einem Energieverbrauchsanteil von mehr als 5 % als SEU. Für die Analyse werden die vorhandenen Energieverbräuche und -einsätze gemessen oder abgeschätzt und den entsprechenden Anlagen oder Prozessen zugeordnet.

SEU Darstellung im Sankey Diagramm

Die entstehenden Energieflüsse werden am besten mit einem Sankey Diagramm visualisiert. Dieses setzt ein schlüssiges Messkonzept voraus, damit die energetische Bewertung regelmäßig und unter immer gleichen Bedingungen wiederholt werden kann. Eine genaue Datenerfassung ist die Grundlage der geforderten Prognose des Energieeinsatzes und -verbrauchs.

Energieflussdiagramm - Verbräuche für ein Geschäftsjahr

  • © SAENA GmbH (2015) | redaktionell bearbeitet

Regressionsanalyse: Ermittlung relevanter Einflussfaktoren

Neben den Verbräuchen müssen für jeden SEU auch die relevanten Variablen und Personen bestimmt werden, die den SEU bedienen oder betreiben. Relevante Variablen umfassen dabei Faktoren, die den Energieeinsatz, -verbrauch und die -effizienz wesentlich beeinflussen und sich nicht routinemäßig ändern (wie z. B. Wetterbedingungen und Temperatur). Um den Einfluss einer Variablen zu bestimmen und auf Korrelation zu testen, kann eine einfache lineare Regressionsanalyse durchführt werden. Demnach könnte bei einem linearen Trenddiagramm das Bestimmtheitsmaß R² ein Kriterium für die Bewertung des Einflusses darstellen. Das heißt die Relevanz ist gegeben, wenn R² > 0,95. 

Praxisbeispiel Regressionsanalyse

Die Firma Controbax betrachtet die Variable Produktion und möchte eine mögliche Korrelation zum Stromverbrauch untersuchen. Dafür stellen Sie entsprechend beide Größen (X-Achse) über das Jahr (Y-Achse) hinweg dar.

Anschließden werden beide Werte auf unterschiedlichen Achsen dargestellt und das Bestimmtheitsmaß R² berechnet. Mit einem Wert von 0,9677 kann der Einfluss der Produktion auf den Energieverbrauch als relevant betrachtet werden.

In einigen Fällen sind die Zusammenhänge zwischen Energieverbrauch und Variable auch nicht linear oder es ändern sich zwei oder mehr unabhängige Variablen gemeinsam (Ko-Linearität). Sinn der Ermittlung und Bewertung des Einflusses von relevanten Variablen ist es, die Energieleistungskennzahlen zu bereinigen, damit eine Vergleichbarkeit der über mehrere Jahre erhobenen Messwerte gegeben ist (Normalisierung).

Energieleistungskennzahlen (EnPI) definieren

Auf Basis der Regressionsanalyse werden die entsprechenden Energieleistungskennzahlen, eng.: Energy Performance Indicators (EnPI), der wesentlichen Energieeinsätze (SEU) definiert. EnPIs können absolute oder relative Messwerte darstellen und sind je nach Adressaten und Ziel unterschiedlich:

  • Die Geschäftsführung wird weit höher zusammengefasste Kennzahlen brauchen als Energiemanager oder Anlagenführende. 
  • In der externen Kommunikation empfehlen sich absolute Kennzahlen wie kWh/a, um Trends im Verbrauch zu erkennen. 
  • Auch bei statischen Anlagen werden absolute Kennzahlen genutzt. 
  • Bei dynamischen Anlagen wird hingegen eine Bezugsgröße verwendet, die die Messwerte vergleichbar macht (relative Kennzahl)

Beispiele für Einergieleistungskennzahlen

Als Bezugsgröße für relative EnPIs kann zum Beispiel die Anzahl der produzierten Einheiten (kWh/Produkteinheit*a) dienen. Die Darstellung als einfacher Quotient funktioniert aber nur, wenn eine einzige relevante Variable und keine Grundlast vorliegen: In der Praxis ist das meist nicht der Fall. Eine bessere EnPI stellt die Energieverbrauchsfunktion (EVF) dar, die unter Berücksichtigung relevanter Einflussfaktoren bestimmt wird. Die Formel kann direkt aus der Regressionsanalyse entnommen werden. Wird das Energiemanagementsystem neu implementiert, so ist die ermittelte EnPI meist identisch mit der energetischen Ausgangsbasis (EnB). Die EnB bildet den Referenzpunkt einer Kennzahl (EnPI) und muss angepasst werden, wenn sich statische Faktoren ändern (Zusammensetzung des Anlagenparks, Anzahl Schichten, etc.). Weitere Informationen zur Leistungskennzahl und Ausgangsbasis enthält die ISO 50006.

Folgende Abbildung zeiget einen beispielhaften Vergleich von EnPI mit der EnB (Y-Achse) über ein Jahr (X-Achse). Während im Januar und Februar beide Werte noch identisch sind, verläuft die EnPI Linie anschließend unter der EnB und eine Einsparung wird sichtbar. Eine solche Einsparung tritt in der Regel erst nach Durchführung von Maßnahmen im Rahmen des Energiemanagements ein.

Energiemonitoring

EnPIs kommt eine entscheidende Bedeutung zu, da sie die Verbesserung oder Verschlechterung der energiebezogenen Leistung im Vergleich zur energetischen Ausgangsbasis (EnB) dokumentieren und visualisieren. Dies erfolgt durch den Vergleich der SOLL-Werte des Energieverbrauches (EnB als EVF) und den IST-Werten (EnPI). Dieser Vorgang wird als Energiemonitoring bezeichnet. So können die EnPIs kontinuierlich überwacht und durch ein Energiecontrolling Abweichungen gezielt analysiert sowie Potenziale für Verbesserungen abgleitet werden. Ab einer gewissen Unternehmensgröße oder einem bestimmten Energieverbrauch eignet sich dafür ein softwaregestütztes Messsystem. 

Energiedatensammlung

  • Grundlage für die Implementierung einer Software-Lösung ist der geforderte Energiedatensammlungsplan. Hierfür können Sie auf die Vorgaben der DIN EN 17267 sowie der ISO 50015 zurückgreifen. Der prinzipielle Ablauf gliedert sich wiefolgt. 

  • Definition von Kontext, Zielen und Beschränkungen

  • Bewertung der aktuellen Situation

  • Priorisierung der Aktivitäten zur Verbesserung des Messsystems

  • Umsetzung des Messsystems

  • Nutzung der Messdaten

  • Aufrechterhaltung und Anpassung des Messsystems

Datensammlungsplan

Ein Datensammlungsplan (auch als Messplan bekannt) soll die dokumentierte, kontinuierliche, konsistente und transparente Messung und Berechnung garantieren. Er legt fest,

  • wann (täglich, wöchentlich, etc.),
  • was (z. B. Gasverbrauch der Anlage 1),
  • wo (z. B. Abteilung 2),
  • wie (Messung mit Zähler XY oder Berechnung/ Schätzung)
  • von wem (Anlagenführende Person 1)

gemessen wird. Darüber hinaus sind Informationen enthalten zu

  • relevanten Variablen der SEUs
  • dem Energieverbrauch der SEUs und der Organisation
  • betrieblichen Kriterien bezüglich der SEUs
  • ggf. statischen Faktoren
  • in Aktionsplänen festgelegten Daten.

Aktionsplan: Operative Energieziele festhalten

Um den Aufwand gering zu halten, werden von der ISO 50001:2018 nur Datensammlungen für die SEUs gefordert, die nach eigenen Kriterien definiert werden können. In der Praxis muss zwischen dem Aufwand und Nutzen des Messplans abgewogen werden. Aus der strategischen und taktischen Planung müssen konkrete operative Ziele und Energieziele entwickelt werden, die zu einer Verbesserung der energiebezogenen Leistung führen. Die Ziele sind dabei spezifisch, messbar, ambitioniert, realistisch und terminiert (SMART) zu setzen.

Ein möglichst konkretes Ziel ist z. B. ”Senkung des Stromverbrauchs pro Produkteinheit X [kWh/Stück] um 10 % im Vergleich zum Wert von 2022 bis 31.12.2024“. Dieses Ziel hilft auf der operativen Ebene, den Fortschritt und die Wirksamkeit von Maßnahmen zu bewerten. Jedes Ziel muss mit einem Aktionsplan unterlegt werden, der genau definiert, wie die Zielerreichung gelingen soll. Für die Erstellung von Aktionsplänen können Sie sich an dem BAFA-Leitfaden zur Erstellung von Energieauditberichten nach DIN EN 16247-1 orientieren. Ein gut formulierter Aktionsplan ist zudem Ihre Grundlage für einen Fördermittelantrag, da die meisten Fördermittelgeber ein strukturiertes Konzept verlangen.

Webinar: Software im Energiemanagement

Erfahren Sie, wie die zentrale Software-Lösung Quentic Ihnen hilft, ungenutzte Energieeffizienzpotenziale zu erschließen und Ihre Energiekosten zu verringern. Verbessern Sie Ihre Verbrauchswerte durch das übersichtliche Monitoring spezifischer Kennzahlen und die Ableitung passender Maßnahmen.

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Fazit: Systematisch zu besserem Energiemanagement

Der Weg von einer ersten IST-Analyse zum professionellen Energiemonitoring ist lang. Die gute Nachricht: Jeder Prozessschritt bringt Sie voran. Sie verstehen Risiken, wie unnötig hohe Energieverbräuche oder Missachtung von Gesetzen aber auch Chancen wie Einsparungen und Förderungen. Durch die Identifikation von wesentlichen Energieeinsätzen und Einflussfaktoren fokussieren Sie sich auf Verbraucher von Relevanz und können entsprechende Maßnahmen sinnvoll priorisieren. 
Mit aussagekräftigen EnPIs können Sie sowohl intern als auch extern, Status quo, Entwicklungen und Erfolge kommunizieren. Um den Status quo fortlaufend zu verfolgen und rechtzeitig zu intervenieren ist der finale Schritt im Energieplanungsprozess elementar: Das kontinuierliche Energiemonitoring auf Basis von SMARTen Zielen. Für Energieplanung gilt – wie für die meisten betrieblichen Prozesse: Es geht um die kontinuierliche Verbesserung sowohl des Prozesses mit all seinen Analysen und Kennzahlen als auch der Ergebnisse. ISO 50001 gibt Ihnen hierfür ein gutes Rahmenwerk zur kontinuierlichen Optimierung Ihres Energiemanagements. 

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